Die Innere Uhr
Frühlingsmüde? Und wie! Was steckt dahinter
von Sulamith Ehrensperger - Erschöpfung statt Tatendrang: Mit den ersten Frühjahrstagen kommt bei vielen
das grosse Gähnen. Warum wir frühlingsmüde sind – Antworten von André Dietziker.
24. März 2019
Müde, schlapp, lustlos. Herr Dietziker, gibt es die Frühjahrsmüdigkeit wirklich?
Selbstverständlich gibt es diese bleierne Schwere am Übergang von Winter zu Frühling. Die längeren und sonnigeren Tage
rufen Erinnerungen wach an aktive Tage im letzten Sommer. Wir würden gerne wieder so loslegen, aber der Organismus ist
noch gar nicht bereit. Diese Diskrepanz lässt uns die Müdigkeit noch stärker empfinden. Psychologisch gesehen ist die
erwachende Natur für manche Menschen weniger Freude als Frust. Wo man sich im Winter daheim verstecken konnte, sieht
man sie jetzt alle wieder draussen, die schöneren, die schlankeren, die fitteren und alle diejenigen, die das Glück haben, nicht
alleine zu sein. Diese Aussicht macht manche Menschen träge.
Es gibt sie zumindest nicht als international anerkannte medizinische Diagnose. Dennoch: Welches sind die Symptome
der Frühjahrsmüdigkeit?
In erster Linie ist es eine körperlich empfundene Abgeschlagenheit und Energieblockade. Manche Menschen leiden unter
Kreislaufproblemen und Schwindel. Emotional erleben viele eine Art unerklärliche Unzufriedenheit und Gereiztheit.
Wetterfühlige Menschen, solche die sowieso schon einen tiefen Blutdruck haben und auch ältere leiden stärker unter der
Frühjahrsmüdigkeit.
Frühjahrsmüdigkeit, Herbstdepression, Sommerhoch ... Was macht das Wetter mit uns?
Der häufige und krasse Temperaturwechsel ist aktuell eine Belastung für unseren Körper. Zudem führen die wärmeren
Temperaturen zu einer Erweiterung der Blutgefässe, weshalb der Blutdruck absinkt. Dies kann subjektiv als Schlaffheit und
Antriebslosigkeit empfunden werden. Der Körper braucht etwa einen Monat, um sich an die neue Situation anzupassen.
Körperlich den grössten Einfluss auf die Energie hat nicht das Wetter, sondern das Sonnenlicht. Allerdings wirken sich
wolkenverhangene Wetterlagen natürlich auf die Stimmung aus.
Wie Frühlingsgefühle schieben manche auch Frühjahrsmüdigkeit auf die Hormone ab. Was ist da dran?
Am Ende der dunklen Jahreszeit sind unsere Serotonin-Speicher noch nicht wieder aufgefüllt. Dagegen gibt es reichlich
Melatonin in unserem Organismus. Serotonin macht uns aktiv, zuversichtlich und unternehmungslustig, das Schlafhormon
Melatonin genau das Gegenteil. Die längeren Tage und das intensivere Tageslicht fördert die Produktion unserer
Glückshormone.
Was macht uns wieder munter?
Gehen Sie raus und gewöhnen Sie sich an die steigenden Temperaturen. Bewegung und Licht sind natürliche Muntermacher.
Idealerweise sollte man sich täglich über die Mittagszeit eine halbe Stunde draussen aufhalten. Massvolle Bewegung bringt
ausserdem den Kreislauf in Schwung. Je fitter Sie sind, desto besser kommen Sie mit dem veränderten Klima klar. In der
Übergangszeit zwischen den Jahreszeiten sollte man sich aber körperlich nicht überfordern und unbedingt genügend Erholung
einbauen. Gemütliche Abende nach anstrengenden Tagen helfen, sich langsam an die neue Frühlingsaktivität heranzutasten.